Freitag, 25. Mai 2012

Interview

Wir sprachen mit Mariola Zacheja, die mit neun Jahren noch in Polen lebte und Pakete im Rahmen der Polenhilfebewegung erhalten hat. Sie hat aus der besagten Zeit eine Menge an Erinnerungen mitgenommen, angefangen von den Warensendungen bishin zum harten Alltag. Bei ihr zu Hause wurde viel über die aktuelle Notsituation gesprochen und alle waren sich einig, dass die Hilfe aus Deutschland und anderen Ländern, wie zum Beispiel Italien und Ungarn überlebenswichtig war.


Projektgruppe: Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Mariola Zacheja: Ich habe aus dieser Zeit sehr viel mitgenommen. Bei uns zu Hause wurde viel über die Geschehnisse und Zustände gesprochen, sodass ich trotz meines Alters viel darüber wusste. Ein weiteres Bild, das ich bis heute vor Augen habe, sind die leeren Geschäfte.
Projektgruppe: Wie war das Gefühl zu wissen, dass es eine so große Unterstützung gibt?
Mariola Zacheja: Es war schön zu wissen, dass jemand da ist, der Interesse zeigt und gerade als Kind war es toll Geschenke zu erhalten. Noch heute kann ich deswegen bei ähnlichen Aktionen sehr gut mit den Menschen mitfühlen und freue mich das jemand hilft.
Projektgruppe: Können Sie sich an den Inhalt der Pakete erinnern?
Mariola Zacheja: Ja kann ich, es gab pro Haus ein Sack Mehl. Die restlichen Lebensmittel wie Wurst, Käse, Kaffee, Tee und Süßigkeiten wurden durch die Kirche und Schulen verteilt. Es gab auch einzelne Pakete für die Kinder, in denen noch andere Dinge waren.
Projektgruppe: Was war das Schönste, dass Ihnen aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben ist?
Mariola Zacheja: Eine Sache ist mir besonders im Gedächtnis geblieben, ein blauer Rock, der mit vielen Äpfeln bedruckt war und natürlich die Süßigkeiten, die wir größtenteils gar nicht kannten.
Projektgruppe: Besitzen sie diesen Rock noch heute?
Mariola Zacheja: Leider nicht. Als wir 1989 Polen verließen, bzw. geflohen sind mussten wir die meisten Dinge zurücklassen und konnten nur das nötigste mitnehmen. Das ist sehr schade, denn dadurch sind viele Erinnerungsstücke wie Fotos verloren gegangen.
Projektgruppe: Haben Sie versucht diese Sachen wieder zu finden?
Mariola Zacheja: Ja, wir sind ein paar Jahre später noch einmal nach Polen zurückgekehrt. Die ganzen Sachen waren aber schon verschwunden.
Projektgruppe: Haben Ihnen diese Dinge sehr geholfen?
Mariola Zacheja: Definitv, denn zu dieser Zeit gab es bei uns kaum etwas und alles was geschickt wurde war auch wirklich notwendig. Auf die Idee etwas zu entsorgen wäre nie jemand gekommen.
Projektgruppe: Hat diese Zeit Ihr weiteres Leben stark geprägt?
Mariola Zacheja: Ja, noch heute wird bei uns kein Essen weggeworfen. Teilweise habe ich aber das Gefühl, dass es mich zu stark geprägt hat. Denn auf viele Dinge reagiere ich zu emotional. Doch eine weitere wichtige Sache habe ich damals gelernt: Es ist egal was man hat, wir alle sind Menschen. Man muss zusammenhalten und auch manchmal über Dinge hinwegsehen. Auch der Familienzusammenhalt war damals ein ganz anderer, denn wir haben alles geteilt und auch für den anderen zurückgesteckt. Diese Werte versuche ich heute auch meiner Tochter zu vermitteln.
Projektgruppe: Gibt es auch viele negative Dinge die Sie noch in Erinnerung haben?
Mariola Zacheja: Es sind damals viele grausame Dinge passiert. Eine Geschichte möchte ich an diesem Punkt erzählen. An einem Tag ist ein deutscher Laster gekommen, der mit Zucker beladen war. Die Deutschen fingen an, vom Wagen aus, den Zucker an die Kinder zu verteilen. Auf einmal kam die Polizei und fing an die Kinder zu jagen, da sie keinen Zucker bekommen sollten. Es wurden aber immer wieder Wege gefunden, solche Besonderheiten ungemerkt zu verteilen.
Projektgruppe: Wenn Sie die aktuelle gesellschaftliche Situation beurteilen. Denken Sie etwas derartiges wäre auch zu heutigen Zeiten möglich?
Mariola Zacheja: Ich glaube, dass es wieder möglich wäre. Ich selbst würde viel tun, allerdings kann ich hier nicht für alle Menschen sprechen.
Projektgruppe: Was denken Sie, hat die Menschen in Polen während dieser Zeit so stark gemacht?
Mariola Zacheja: Der Glaube der Menschen hat sie so stark gemacht. Deswegen war es gut, dass die Kirche so eine große Unterstützung geleistet hat. Die Menschen waren sehr dankbar, dass ihnen geholfen wurde auch wenn sie dies nicht direkt aussprachen.
Projektgruppe: Finden Sie es bedauerlich, dass diese Bewegung so in Vergessenheit gerät?
Mariola Zacheja: Ich fände es toll, wenn es nicht vergessen wird. Denn es kann uns jederzeit wieder passieren, wie man schon teilweise in der Wirtschaftskrise sehen konnte. Es ärgert mich auch, dass zwar im Ausland viel Hilfe geleistet wird, aber in Deutschland sehr viele arme Menschen untergehen.
Projektgruppe: Haben Sie noch Kontakt zu Personen aus ihrer Kindheit?
Mariola Zacheja: Ich bin bei einem polnischen sozialen Netzwerk angemeldet. Darüber habe ich viele Menschen wiedergefunden und versuche bis heute Kontakt zu halten. Wichtig ist mir auch, die Sprache nicht zu verlernen.
Projektgruppe: Haben Sie Menschen kennengelernt, die Pakete verschickt haben?
Mariola Zacheja: Eine Familie habe ich kennengelernt. Ich hatte als Kind noch die Gelegenheit für 3 Wochen zu einer Familie in den Niederlanden zu reisen, die Pakete an uns geschickt haben.
Projektgruppe: Vielen Dank für das Interview.

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